Die Antworten, die in der PALAVA-App auf die Frage „Wie
nennst du die Eigenschaft, wenn jemand beim Essen sehr wählerisch ist?“
eingesprochen worden sind, sind sehr vielfältig. Insgesamt sind auf dieser
Karte 1662 Einzelantworten abgebildet, die sich auf etwa 280 unterschiedliche Wörter
und Lautvarianten verteilen.
Für eine übersichtliche Darstellung wurden die Antworten auf
der Karte zu zehn Oberbegriffen zusammengefasst. Die ersten neun Kategorien
enthalten jeweils Wortvarianten, die die gleiche Etymologie haben. In der
Kategorie „sonstiges“ (lila, 423 Belege) sind Formen zusammengefasst, die nur
selten genannt wurden (z.B. aperig, eigener Pitter, schlauchig).
Die Kategorie schnuppen
(rot, 60 Belege) beinhaltet Wörter wie schnöppisch,
verschnuppt und schnippsch. Genannt werden sie insbesondere im linksrheinischen
zentralen Rheinland. Seinen Ursprung hat schnuppen
in den rheinischen und niederdeutschen Mundarten und war dort weit verbreitet.
So kannte man im historischen Niederdeutschen schon snopen und snuppen
‚Leckereien essen‘, im Niederländischen ist mit gleicher Bedeutung snoepen seit dem 16. Jahrhundert belegt.
Die Herkunft des Wortes ist nicht eindeutig geklärt, oft wird es zu der
Wortfamilie um schnaufen, schnaufen, schnuppern gestellt, es ist aber auch möglich, dass es sich um
„eine Lautvariante von schnappen im
Sinne von ‚begierig nach einer Leckerei greifen‘ handelt“ (Honnen 2018, S.
521).
Varianten der Wörter schnäken/schnöken (range, 85 Belege) werden in
der PALAVA-App insbesondere aus dem Sauerland und dem angrenzenden Siegerland
gemeldet. Sie gehen auf mittelhochdeutsch snöuken
‚heimlich gehen, um zu naschen‘ zurück und waren ursprünglich in vielen
Dialekten NRWs verbreitet.
Im Südosten von Ostwestfalen-Lippe wird geschnuckt (rot, 89 Belege) und eine beim Essen wählerische Person
beispielsweise als schnücksch, schnuckig oder verschnuckt bezeichnet. Das Wort stammt aus dem Niederdeutschen,
Mittelniederdeutsch ist snucken in
der Bedeutung ‚schluchzen‘ belegt. Hieraus hat sich dann die Bedeutung
‚naschen‘ entwickelt.
Das Wort leksch
und seine Lautvarianten (hellblau, 122 Belege) kommen konzentriert im
Grenzgebiet von Münsterland und Ostwestfalen vor, vereinzelt dann auch noch
nördlich davon in den beiden Regionen. Das Wort wurde aus den westfälischen
Dialekten in die regionale Alltagssprache übernommen.
Pickige
Esser*innen (dunkelblau, 72 Belege) gibt es in ganz NRW. Sie werden auch pickerig, Picker oder picky genannt.
Letzteres ist eine englische Variante, die insbesondere von jungen Menschen
genannt wurde. Ob deutsch oder englisch, die Herkunft der Wörter ist die
gleiche. Sie gehen zurück auf eine gemeinsame germanische Wurzel, ursprünglich
wurden hiermit hauende, steckende Bewegungen, die beispielsweise mit einem
Werkzeug oder von einem Vogelschnabel ausgeführt werden, bezeichnet. Der
Vergleich mit dem pickenden Vogel liegt wahrscheinlich auch der Bedeutung
‚wählerisch beim Essen sein‘ zugrunde.
Als mäkelig
(hellgrün, 193 Belege) werden kritische Tischnachbar*innen in verschiedenen
Regionen NRWs bezeichnet (zentrales Rheinland, Niederrhein, Ruhrgebiet,
nördliches Münsterland und nördliches OWL). Der Ursprung des Wortes liegt im
niederdeutschen Sprachraum: Hier, und auch im angrenzenden Niederländischen,
war die Personenbezeichnung mākeler, mēkeler ‚Vermittler von
Handelsgeschäften, Unterhändler zwischen Käufer und Verkäufer‘ verbreitet. Davon
leitet sich mäkeln ‚Geschäfte machen,
unterhandeln, feilschen, an der Ware etw. aussetzen‘ ab, wozu sich die Nebenbedeutung
‚tadeln, etw. auszusetzen haben, nörgeln’ entwickelte. Mit dieser Bedeutung
wurde das Wort dann ins Hochdeutsche entlehnt.
Das Mundartwort fimpschig
(dunkelgrün, 34 Belege) ist vor allem im zentralen Rheinland verbreitet. Hier,
im ripuarischen Dialektgebiet, hat es auch seinen Ursprung und neben
‚wählerisch beim Essen sein‘ noch viele weitere Bedeutungen. Zugrunde liegt das
Verb fimpen, das ‚übel, faulig
riechen‘ bedeutet (Honnen 2018, S. 127). Vereinzelt kommt das Wort in den
PALAVA-Daten auch am Niederrhein und im Ruhrgebiet vor.
Etepetete (braun,
82 Belege) findet sich verstreut im gesamten Bundesland, insbesondere dort, wo
keine andere, regionale Variante stark vertreten ist (schnuppen, schnäken/schnöken, schnucken, leksch). Das
Wort ist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verbreitet, mit den Bedeutungen
‚übertrieben fein, zimperlich‘. Die Herkunft ist nicht eindeutig geklärt.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine ironisch-spielerische Verdopplung des
niederdeutschen ōt(e), ēte
‚geziert, zimperlich, überfein‘. Gerade in älterer Literatur finden sich aber
auch Erklärungsversuche, die das Wort auf das Französische (être ‚sein‘, peut-être ‚vielleicht‘) zurückführen.
Zu guter Letzt kommen wir noch zu einem – vermeintlich –
standarddeutschen Wort: pingelig (gelb,
502 Nennungen). Es kommt im gesamten Bundesland vor, ebenso wie etepetete allerdings nicht in den
Gebieten, in denen eine kleinregionale Variante dominiert. So weit war die
Verbreitung des Wortes ursprünglich nicht, handelt es sich doch um ein
rheinisches Dialektwort. Genauer gesagt um die rheinische Form von peinlich (in der Bedeutung
‚schmerzempfindlich‘, daraus allgemein ‚empfindlich‘). Ping ist die velarisierte Lautform von Pein ‚Schmerz‘, ein Lautwandel, der sich in vielen
zentralrheinischen Wörtern findet (Wing
‚Wein‘, Ring ‚Rhein‘, brung ‚braun‘). Dass das Wort Eingang in
die gesamtdeutsche Umgangssprache gefunden hat (vgl. Duden, DWDS), schreibt
Peter Honnen auch einem Ausspruch des Altkanzlers Adenauer zu: „Man solle beim
Gebrauch des Rechts nicht gar so pingelich sein“ (Honnen 2018, S. 411).
Dass sich Nordrhein-Westfalen mit dieser Wortvielfalt
deutlich von anderen deutschsprachigen Regionen unterscheidet, kann man auf
einer Karte des Atlas zur deutschen Alltagssprachesehen.
Literatur:
DWDS. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Das
Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart, hrsg. v.
d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. [URL: https://www.dwds.de/].
Peter Honnen: Wo kommt dat her? Herkunftswörterbuch der
Umgangssprache an Rhein und Ruhr. Köln 2018.
Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet
von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin/Boston
2011.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch von Benecke, Müller, Zarncke,
digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital
Humanities, Version 01/23, [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/BMZ].
Rheinisches Wörterbuch, digitalisierte Fassung im
Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/RhWB].
Westfälisches Wörterbuch, digitalisierte Fassung im
Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/WWB].