Die Antworten auf die Frage „Wie
nennst du den sicheren Ort beim Fangenspielen?“ geben spannende Einblicke in
die regionalen – teils sehr kleinräumigen – Unterschiede in
Nordrhein-Westfalen. Insgesamt wurden 227 verschiedene Begriffe gemeldet. Die
zehn am häufigsten genannten Begriffe sind auf der Karte dargestellt, womit
1288 der insgesamt 1795 Einreichungen berücksichtigt werden konnten. Da die
übrigen 178 Begriffe das Gesamtbild zu stark zersplittert hätten, wurde bei der
Erstellung der Karte auf die Kategorie „Sonstiges“ verzichtet.
Besonders im südniederfränkischen
Sprachgebiet am südlichen Niederrhein ist die Bezeichnung Frei weit
verbreitet. Diese Bezeichnung tritt aber auch in anderen Teilen
Nordrhein-Westfalens auf, insbesondere im Grenzgebiet zu Niedersachsen. Mit 258
Nennungen ist Frei die am häufigsten verwendete Bezeichnung. Eine
verwandte Form wird im südlichen Rheinland genutzt: Dort heißt der sichere Ort
nahezu durchweg Freio (inkl. Freior/Freiung), wobei es
sich mit 175 Nennungen zudem um die am zweithäufigsten genannte Bezeichnung
handelt.
Wupp (auch Schwupp, 112 Nennungen)
wird in Teilen Westfalens (besonders im Ruhrgebiet), aber auch am nördlichen
Niederrhein gerufen. Dabei handelt es sich um einen lautmalerischen Ausdruck,
der dem Geräusch beim Abklatschen nachempfunden ist (vgl. DWb).
Mal (auch Mol, Freimal; 70 Nennungen) nennt
sich der sichere Ort beim Fangenspiel im südlichen Ruhrgebiet. Der Begriff
steht mit dem auch im Standarddeutschen geläufigen ‚Mal‘ für ‚Fleck‘ (wie bspw.
in ‚Muttermal‘) in Zusammenhang, beides geht zurück auf fnhd. mal für
‚Zeichen, Fleck, Markierung‘ (vgl. Pfeifer).
Varianten wie Bar, Biet
und Piet (61 Nennungen) sind im östlichen Münsterland sowie in
nördlichen Teilen des Ruhrgebiets und Südwestfalens verbreitet. Diese Begriffe
beschreiben räumlich begrenzte Flächen. Biet/Piet lässt sich auf
mittelhochdeutsch biet für ‚Gebiet, Machtbereich‘ zurückführen (vgl.
RhWb). Bar kann neben der Bedeutung ‚Balken‘ oder ‚Schranke‘ auch einen
abgegrenzten, teils eingehegten Platz beschreiben (zu ahd. bara, mhd. bar).
Beide Begriffe betonen den Aspekt der klaren Abgrenzung eines Bereichs.
Am Niederrhein und im westlichen
Münsterland ist die Variante Pott (138 Nennungen) weit verbreitet.
Sowohl in den Dialekten als auch in den Regiolekten Nordrhein-Westfalens wird
dieses Wort als Bezeichnung für ‚Topf‘ verwendet. Die Herkunft des Begriffs ist
nicht gesichert. Es gibt mehrere mögliche Erklärungen, darunter die Ableitungen
vom lateinischen pottus (‚Trinkgefäß‘) oder altfranzösischen hanap
(‚Becher‘) (vgl. Honnen 2018, S. 436). Im hier untersuchten Kontext steht der
Begriff Pott bildlich gesprochen für einen unsichtbaren Behälter, in dem
das Kind sicher steht und nicht mehr gefangen werden kann.
Einige Varianten wurden in ganz NRW
genannt und zeigen eher keine räumliche Konzentration, so auch die Begriffe Aus
(127 Nennungen) und Haus (171 Nennungen). Auch der Begriff Haus geht
auf eine Behältermetapher zurück: Das Kind steht im Haus und ist dort sicher
vor den Fangenden. In diese Kategorie fallen auch andere Begriffe, die auf ein
Gebäude als Schutzraum hinweisen, so bspw. Bushäuschen, Hütte und
Zuhause. Die Variante Aus signalisiert, dass das Kind, das diesen
sicheren Ort erreicht, „aus“ dem Fangspiel ist und somit nicht mehr gefangen
werden kann.
Für einige Begriffe lässt sich die
Wortherkunft nicht erklären, so für die vor allem im Ruhrgebiet um
Gelsenkirchen genannte Bezeichnung Dreier (89 Nennungen) und die
Bezeichnung Otte (67 Nennungen), die besonders den Personen in
Ostwestfalen-Lippe um Bielefeld geläufig ist.
Wie eingangs erwähnt, konnte der
Großteil der Nennungen nicht in der Karte dargestellt werden, so wurden auch
etwa Sicher, Versteck, Boot, Packs(e), Rulle/Rolle
und Hole genannt. Die große Anzahl kleinräumiger Varianten lässt sich
damit erklären, dass es sich bei den Begriffen um typische „Kindervokabeln“
handelt – im späteren Leben kommen sie kaum noch zur Anwendung. Da sie vor
allem innerhalb lokaler Spielgemeinschaften verwendet werden und selten
überregionale Kontakte bestehen, bleibt die Verbreitung dieser Begriffe stark
auf die jeweilige Region begrenzt. Sie werden somit nicht durch Mobilität oder
Sprachkontakt vereinheitlicht.
Literatur:
DWb: Deutsches Wörterbuch von Jacob
Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier
Center for Digital Humanities, Version 01/23,
<https://www.woerterbuchnetz.de/DWB>, abgerufen am 14.10.2024.
Peter Honnen: Wo kommt dat her?
Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr. Köln 2018.
Wolfgang Pfeifer et al.:
Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Digitalisierte und von Wolfgang
Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache,
1993.
RhWb: Rheinisches Wörterbuch,
digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital
Humanities, Version 01/23, [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/RhWB].