Ab Weiberfastnacht erschallen Karnevalsrufe oder Narrenrufe aus allen
Ecken NRWs – nicht nur aus Köln und Düsseldorf. Der Streit um den wahren Karnevalsruf
ist allseits und jedermann bekannt. Schaut man sich allerdings in anderen Orten
NRWs um, so vernimmt man nicht nur die zwei bekanntesten Rufe, sondern auch regionale
Varianten. Auf den beliebten Karnevalsumzügen hört man von Jeckinnen und Narren
bis zum Veilchendienstag neben den bekannten Helau und Alaaf auch Wortverschmelzungen
wie Palau oder rheinische Ausrufe wie
lot jonn. Im Folgenden wollen wir eure
Antworten näher vorstellen und die Herkunft der Rufe erläutern.
Alaaf, einer
der zwei bekanntesten Karnevalsrufe NRWs wird in Köln und im Rheinland gerufen.
In Kombination mit Alaaf lässt man an Karneval Städte (Kölle Alaaf)
sowie Stadtteile, Karnevalsvereine oder Einzelpersonen hochleben. Der Ursprung von
Alaaf kann nicht ohne die Stadt Köln betrachtet werden. Der älteste Beleg
für Alaaf stammt aus einem Brief aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts.
Der kurkölnische Landhofmeister Johann Adolf Freiherr Wolff schrieb an den Obersthofmeister
und Bischof von Osnabrück, Franz Wilhelm von Wartenberg, er möge „in dat
Al aff colnisch Land“ kommen. Wörtlich übersetzt bedeutet Al aff
„all(es) ab“, könnte sinngemäß als „vor allem anderen“ oder „über alles hinaus“
verstanden werden. In seiner ursprünglichen Bedeutung wird Alaaf als Hochruf
genutzt, um das nachfolgende Substantiv, in diesem Fall die Stadt Köln, zu loben.
Es ist nicht eindeutig belegbar, ab wann Alaaf zum Karnevalsruf wurde.
In einer anderen Hochburg des rheinischen Karnevals – Düsseldorf
– und in vielen Ortschaften Westfalens wird Helau
gerufen. Die ersten Belege stammen vom Anfang des 17. Jahrhunderts aus Tirol und
hatte noch keinen Bezug zum Karneval. Wie bei Alaaf ist unklar, ab wann Helau
als Redewendung im Karneval verwendet wurde. Ebenso ist bis heute eine klare Ergründung
des etymologischen Ursprungs nicht eindeutig konstruierbar. Es gibt verschiedene
Erklärungsmöglichkeiten, die u. a. den Ursprung im christlichen Halleluja oder in
dem Adjektiv hellauf oder in der Begrüßung
hallo/hello in Betracht ziehen. Statt
nur Helau zu rufen, wird in vielen Städten
der eigene Stadtname (Münster Helau),
eine verkürzte Form des Namens (Holti Helau)
oder der Name von Einzelpersonen sowie von Karnevalsgesellschaften davorgesetzt,
um diese an Karneval hochleben zulassen.
Eine andere Möglichkeit den Namen der Stadt im Karnevalsruf zu verwenden,
besteht aus der Wortverschmelzung mit Helau.
Ähnlich klingend wie Helau ruft man in
Paderborn (Hasi) Palau, in Hagen Hagau und
in Bielefeld Bilau. Hierbei verschränken
sich zwei Worte, in diesem Fall der Stadtname und Helau miteinander und verbinden sich zu einem neuen Wort. Diese Art
der Wortbildung tritt häufiger auf und ist in viele Teilen Westfalens in Bezug auf
Karnevalsrufe zu finden. Der Paderborner Ruf beinhaltet neben Palau auch das Wort Hasi. Laut anekdotischer Evidenz zur Herkunft des Rufes soll dieser
während einer Karnevalssitzung in einer „Bierlaune“ entstanden sein; u. a. diente
das Dreihasenfenster im Paderborner Dom, das als Wahrzeichen der Stadt bekannt ist als
Inspiration.
Um die Stadt Hagen hört man zu Karneval Hagau lo gon. Neben der Wortverschmelzung (Hagau) findet sich hier der Ausruf lo gon. In Solingen finden wir eine ähnlich klingende Variante lot jonn. Beides kommt aus den plattdeutschen
Dialekten und bedeutet so viel wie „Los jetzt!“.
In Mönchengladbach wird zu Karneval Halt Pohl gerufen. Laut einer historischen Anekdote soll der Ruf in
den 1930er Jahren untere mehreren Einsendungen ausgewählt worden sein, um für die
Stadt einen eigenen Karnevalsruf zu finden. Bis dato soll Helau gerufen worden sein. Halt
Pohl (wörtlich Die Stange/den Pfahl
festhalten) kommt aus dem Dialekt der Region und bedeutet die Richtung halten, in
der Reihe marschieren, aber auch durch-, standhalten, nicht nachgeben, bei der Stange
bleiben, Widerstand leisten.
In Bochum und Steinheim kann ebenfalls ein plattdeutscher Ausruf
gehört werden: Mantau. Dieser Ruf ist
zweigeteilt und besteht aus dem Adverb man
als Bekräftigungspartikel und der Präposition to. Man to oder Man tau (‚Man zu‘ = „Los jetzt!“) kann ähnlich
wie die beiden oberen Ausdrücke als Ermunterungsruf oder als Aufforderung verstanden
werden. Mantau wird auch häufiger mit
dem Stadtnamen (Bochum Mantau) oder mit
den Namen einzelner Stadtbezirke (Wattsche
Mantau [Bochum-Wattenscheid]) zusammengerufen.
In Wuppertal wird Wuppdika
gerufen. Das Akronym Wuppdika bildet sich
aus den Anfangsbuchstaben der Wörter Wuppertal
die Karnevalsgesellschaft. Aus Akronymen gebildete Worte begegnen uns öfter
unter den von euch eingereichten Karnevalsrufen. Neben Wuppdika finden wir auch Deunda
aus Stadtlohn (Kreis Borken). Dieser Ruf bildet sich aus den Anfangsbuchstaben der
plattdeutschen Aussage de unwīsen Dage
(„die „verrückten (närrischen) Tage“).
Rund um Ahaus ruft man zu Karneval Festo. Hier ist die Herkunft schwierig nachzuvollziehen und die Datenlage
nicht eindeutig.
Was bei der lokalen Verteilung von Helau und Alaaf auffällt,
ist die klare Grenze („Isoglosse“), die südlich von Düsseldorf und nördlich von
Köln verläuft. In der Dialektologie ist dieser Verlauf gut bekannt und wird BenratherLinie genannt. An dieser grenzt das ripuarische Dialektgebiet im Süden und das Südniederfränkische
sowie das Ostbergische im Norden und Westen aneinander. Wie es scheint, hat diese
jahrhundertealte Isoglosse für die Verteilung einiger Wörter in NRW immer noch eine
Bedeutung.
Ihr habt uns noch viel mehr Narrenrufe genannt, die wir leider nicht
alle auf der Karte abbilden konnten, z.B.: Maak
mött, Breetlook, Knolli knolli Schabau oder Rumskedi.
Die Bildung und Herkunft von regionalen Karnevalsrufen könnte nicht
vielfältiger sein. Ob Alaaf oder Helau, ob Hagau lo gon oder Halt Pohl
in einer Sache ist man vereint: Der Liebe zum Verkleiden und Zusammenkommen. Daher
wir wünschen allen Karnevalist:innen eine bunte und tolle fünfte Jahreszeit!
Literatur:
Hadumod Bußmann (Hrsg.) unter Mitarbeit von Hartmut Lauffer:
„Abkürzung“. In: Lexikon der Sprachwissenschaft.
4., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2008.
S.1f.
Fleischer, Wolfgang, und Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen
Gegenwartssprache. 4. neu bearb. Aufl. von Irmhild Barz. Berlin [u.a: de Gruyter,
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Heribert
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Landschaftsverband Rheinland: Dat Portal. Wörterbuch rheinischer
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Neue WestfälischeZeitung.
Rheinischer Spiegel
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digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities,
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Walter
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im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, abgerufen
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