‚Hängt das Bild schon gerade?‘ – ‚Nee, links noch‘n bissken höher!‘ Wer sich im Rheinland oder in Westfalen bewegt, hat solche Sätze sicher schon einmal gehört – nur, dass anstelle von bissken auch büschen, Tacken oder Itzken stehen kann. Nach diesem Ausdruck haben wir gefragt. Die zahlreichen Antworten zeigen, wie vielfältig das scheinbar kleine ein bisschen in den Regionen Nordrhein-Westfalens ausfallen kann.
Die häufigste Variante (1085 Nennungen) war das überregional gebräuchliche bisschen. Dieses Wort leitet sich vom mittelhochdeutschen biʒʒe ab, was ‚abgebissenes Stück‘ oder ‚kleiner Bissen‘ bedeutet. Seit dem 16. Jahrhundert wird bisschen im Deutschen im Sinne von ‚ein wenig‘ oder ‚etwas‘ verwendet.
Das Wort bissken ist eine lautlich abgewandelte Form des standarddeutschen ‚bisschen‘ und verwendet zur Verkleinerung die für den nordwestdeutschen Sprachraum typische Silbe -ken, wie auch in Häusken oder Mäusken. Diese Diminutivbildung ist vorrangig in Westfalen und dem Norden des Rheinlands gebräuchlich (218 Nennungen, vor allem am Niederrhein). Im südlichen Rheinland findet man Formen wie bissje oder bessje, welche zur Diminutivbildung die Endung -je nutzen. Auch die Variante büschen reiht sich in diese familienähnliche Reihe ein und zeigt, wie sich die Form ‚bisschen‘ in unterschiedlichen Regionen lautlich anpasst. Zwar fehlen hier genauere Angaben zur Herkunft, doch lässt sich büschen als weitere dialektal gefärbte Form verstehen. Verbreitet ist die Variante vor allem in Ostwestfalen-Lippe und wurde 47-mal genannt.
Tacken (131 Nennungen) ist ein Ausdruck aus dem Ruhrdeutschen, der dort nicht nur das alte Zehn-Pfennig-Stück (als Synonym zu Groschen) bezeichnete, sondern auch als Bezeichnung einer kleinen Menge verwendet wird. In diesem Zusammenhang wird er nicht nur im Ruhrgebiet, sondern vor allem im südöstlichen Münsterland genannt. Der Begriff lässt sich möglicherweise auf die niederdeutsche Entsprechung von Zacken oder Zahn zurückführen, wie sie in Redewendungen wie ‚einen Zahn zulegen‘ vorkommen. Die Form Ticken (177 Nennungen, vor allem um Köln und im Raum Südwestfalen) ist vermutlich ein Schallwort, das – ähnlich wie bei der tickenden Uhr oder einem ‚Tic‘ – rhythmische, mechanische oder ruckartige Bewegungen bezeichnet. Tucken (71 Nennungen, vor allem in Ostwestfalen-Lippe) wiederum scheint aus verschiedenen Wurzeln zusammengeflossen zu sein: Niederdeutsch tucken entspricht hochdeutsch zucken, daneben existiert eine Verbindung zu ducken sowie zu älteren Formen wie mittelhochdeutsch tuck. Im Ursprung bezeichnet Tuck eine ‚heftig ausgeführte Bewegung, Stoß oder Schlag‘ – eine Bedeutung, die sich über das lateinische tactus (‚Berührung‘) erklären lässt.
Das Wort Stück (inkl. Varianten 435 Nennungen), abgeleitet vom Mittelhochdeutschen stück(e) oder stuck(e), bedeutet allgemein ‚Teil eines Ganzen‘ und ist in ganz Nordrhein-Westfalen verbreitet. Auch hier zeigt sich die regionale Färbung: Während die Diminutivform Stückchen in ganz NRW genannt wurde, findet sich nördlich der Benrather Linie die Form Stücksken, wobei wieder die typische -ken-Endung zur Diminutivbildung erscheint.
Die Variante Itzken schließlich ist eine besonders interessante Form, weil sie direkt auf das alte Wort ‚itz‘ bzw. ‚iet‘ für ‚etwas‘ zurückgeht. Mit ‚ein itzken‘ ist also ein ‚kleines Etwas‘ gemeint. Diese Form findet sich im Grenzbereich zu den Niederlanden und verweist auch auf das niederländische iets, das ebenfalls ‚etwas‘ bedeutet. Sprachgeschichtlich betrachtet ist itzken somit eng verwandt mit dem standardsprachlichen ‚etwas‘, dabei aber deutlich regional eingefärbt. Auch die Variante itzchen wurde genannt – wie bei den anderen Diminutivformen zeigt sich auch hier eine Verteilung entlang der Benrather Linie.
Literatur:
Cornelissen, Georg (2017): Dialekt und Regiolekt im Kartenbild. Raumstrukturen in der Regionalsprache des Rheinlands. In: Alltag im Rheinland. Mitteilungen der Abteilung Alltagskultur und Sprache des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte (ILR).
Honnen, Peter (2013): Kappes, Knies und Klüngel. Greven.
„Tacken“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Tacken>, abgerufen am 30.02.2025.
„Tick“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Tick>, abgerufen am 30.02.2025.
„TICK“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=T04305>
„Tuck“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Tuck>, abgerufen am 30.02.2025.