Der April macht was er will! – Diese Bauernweisheit bestätigt der Frühlingsmonat gerne jedes Jahr aufs Neue; neben sonnigen Tagen mit angenehmen Temperaturen fühlt man sich oft zurück in den Herbst versetzt. Der Grund dafür? Heftiger Regen! Dass dieser die Gemüter erhitzt und die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu großer sprachlicher Kreativität veranlasst, zeigen auch die Auswertungen der Antworten in der PALAVA-App auf die Frage „Wie nennst du es, wenn es stark regnet?“.
Dieser Beitrag zeigt nur einen Ausschnitt aus dem umfangreichen Datenmaterial, insgesamt wurden 26 verschiedene Verben (z.B. plästern, schütten, meimeln) genannt, die häufig noch mit einem von insgesamt sechzehn Ergänzungen (z.B. wie aus Eimern, in Strömen, aus Kübeln) präzisiert wurden. Dazu kommen sieben verschiedene Substantive (z.B. Regenwetter, Weltuntergang, Starkregen).
Die Karte bildet insgesamt 1620 Antworten ab. Im gesamten Bundesland sind die drei Standardvarianten schütten, regnen und gießen verbreitet, wobei vor allem schütten sehr häufig (556-mal) genannt wurde. Ebenfalls sehr bekannt und überall in NRW verbreitet ist die regionale Variante plästern (593-mal; mit den Ausspracheformen plästern, pleestern, blästern). Sie geht auf das rheinische und westfälische Mundartwort pläster(e)n ‚etw. mit Mörtel verputzen; heftig regnen‘ zurück. Mitgebracht haben das Wort einst die Römer: Zugrunde liegt lat. (em)plastrum ‚Pflaster, aufgeschmierte Salbe, Mörtel‘.
Daneben finden sich noch einige kleinräumig verbreitete Varianten. Im Siegerland, im Südosten von NRW, wird häufig das Wort drätschen genannt. Hierbei handelt es sich wohl um ein lautmalerisches Wort, das die Geräusche des herabfallenden Wassers nachahmt. In unterschiedlichen lautlichen Varianten ist es in vielen Dialekten Deutschlands verbreitet (tröötsche im Bergischen Land, südlichen Rheinland und in der Eifel, draatschen in Sachsen, Thüringen, Franken; vgl. tratschen im DWB).
In Ostwestfalen sowie im Ruhrgebiet und im Bergischen Land pladdert oder pläddert es. Hierbei handelt es sich um eine Ableitung von niederdeutsch Pladder ‚zähflüssige Masse, Kuhfladen‘.
Im Münsterland begegnet die Variante meimeln. Es handelt sich dabei um ein Wort aus der Münsteraner Sondersprache Masematte, das aus dem Jiddischen entlehnt wurde. In Ostwestfalen ist noch das alte Mundartwort gallern gebräuchlich. Beide Wörter haben auch die Bedeutung ‚urinieren‘ und könnten damit streng genommen auch zur letzten Gruppe gezählt werden.
Diese Gruppe fasst nämlich Wörter zusammen, die ursprünglich auch bzw. ausschließlich ‚Wasser lassen‘ bedeuteten. So hat pissen seine Wurzeln wahrscheinlich im altfranzösischen pissier ‚urinieren‘, das bereits in mittelhochdeutscher bzw. mittelniederdeutscher Zeit in den deutschen Sprachraum gewandert ist. Als niederdeutsche Variante von seichen geht sicken auf althochdeutsches sihan ‚leise tröpfelnd fließen‘ zurück. Und das trifft eben sowohl auf Urin als auch auf Regen zu. Diese Metaphorik wird auf einer weiteren Karte noch genauer dargestellt werden.
Literatur:
DWB = Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Leipzig 1854–1961. [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/DWB].
Peter Honnen: Wo kommt dat her? Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr. Köln 2018.
RhWb = Rheinisches Wörterbuch. […] hrsg. und bearb. von Josef Müller u. a. Bonn, Berlin 1928—1971. [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/RhWB].
Sievert, Klaus: Wörterbuch deutscher Geheimsprachen. Berlin u.a. 2023.
Stern, Heidi: Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten. Tübingen 2000.
WWb = Westfälisches Wörterbuch. hrsg. von der Kommission für Mundart- und Namenforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Kiel/Hamburg 1969–2021. [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/WWB].