Sprachkarten

Die Karten bilden die Antworten pro Ort als Kreisdiagramm ab. Dadurch wird sichtbar, welche Antwort wir an einem Ort am häufigsten erhalten haben und andere Nennungen fallen nicht unter den Tisch. Manchmal beruhen diese Diagramme auf sehr vielen Antworten (v.a. in den städtischen Gebieten) und manchmal auch nur auf sehr wenigen oder nur einer Antwort. Falls dein Ort noch nicht dabei ist oder dein eigener Sprachgebrauch fehlt, beantworte gerne noch einige Fragen!

Die Sprachkarte mit den Antworten auf die Frage „Wie nennst du es, wenn es stark regnet?“ hat eine große Vielfalt hinsichtlich der verwendeten Verben aufgezeigt. Dabei war besonders auffällig, dass einige dieser Verben (insgesamt acht) neben der Bedeutung ‚stark regnen‘ eine weitere Gemeinsamkeit haben: Sie bedeuteten ursprünglich bzw. bedeuten auch ‚urinieren‘. Die regionale Verbreitung dieser Wörter wird nun auf der hier präsentierten Detailkarte dargestellt; insgesamt handelt es sich um 127 Nennungen.

Im Süden NRWs (und mit einer Ausnahme auch am Niederrhein) wird das Wort sicken genannt. Es geht auf althochdeutsch sihan ‚leise tröpfeln‘ zurück, woraus im Mittelhochdeutschen seichen und im Mittelniederdeutschen seken ‚urinieren‘ entstanden ist. Ein weiteres Verbreitungsgebiet hat die Variante pissen, die in unseren Antworten im Bergischen Land, am Niederrhein, im Ruhrgebiet und vereinzelt im Süden des Münsterlands und von Ostwestfalen-Lippe genannt wird. Das Wort geht auf altfranzösisch pissier zurück und wurde bereits im Mittelalter in den deutschen, den niederländischen und auch den englischen Sprachraum entlehnt (vgl. Honnen 2018, S. 416, DWDS). Im Ruhrgebiet, im Bergischen Land und im Sauerland findet sich die Variante schiffen. Dieses Wort hat die Bedeutung ‚urinieren‘ auf einigen Umwegen erhalten. Althochdeutsch skif, skef bedeutete neben ‚Wasserfahrzeug‘ auch ‚Gefäß‘ und diese zweite Bedeutung blieb in einigen deutschen Dialekten erhalten. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich daraus in der Studentensprache die Bezeichnung Schiff für den Nachttopf und davon abgeleitet das Verb schiffen für ‚Wasser lassen‘ (vgl. Honnen 2018, S. 495f., DWDS). Einmalig belegt in unseren Daten ist pinkeln in der Bedeutung ‚stark regnen‘ (Duisburg). Die genaue Herkunft des Wortes ist nicht geklärt, es wird eine Verwandtschaft zu pissen und daraus entstandenem Pipi machen angenommen (vgl. DWDS, DUDEN). Ebenfalls nur einmal wird das Wort miegen genannt (Rhede). Hierbei handelt es sich um ein niederdeutsches Dialektwort. Dieses wird abgesehen der kartierten Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit einem kleinen Insekt verwendet: der Ameise oder regionial z.B. Migamp (vgl. RhWb, Bd.5 Sp.1131). Viele Arten sondern nämlich säurehaltigen Urin ab, um sich zu verteidigen (vgl. WWb Bd.4, Sp. 152) Schwerpunktmäßig im Münsterland begegnet das Wort meimeln, das aus der Münsteraner Sondersprache Masematte stammt und aus dem Jiddischen entlehnt wurde. Im Jiddischen hat es sowohl die Bedeutung regnen als auch urinieren, wobei bei der Entlehnung für das Gebiet um Münster nur regnen eine Rolle spielte (vgl. Stern 2000, S. 125). Aus Lippstadt wird einmal das Wort pullern gemeldet. Hierbei handelt es sich um eine regionale Variante für ‚urinieren‘, die in erster Linie im Nordosten und Osten Deutschlands gebräuchlich ist. Die Verwendung in der Bedeutung ‚stark regnen‘ ist wohl eher selten (DWDS, DUDEN). In Ostwestfalen wird vergleichsweise häufig das Dialektwort gallern genannt.

 

Literatur:

DUDEN = DUDEN. Digitales Wörterbuch, hrsg. v. d. Dudenredaktion. [https://www.duden.de/woerterbuch].

DWDS = DWDS. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Das Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. [URL: https://www.dwds.de/].

Peter Honnen: Wo kommt dat her? Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr. Köln 2018.

RhWB = Rheinisches Wörterbuch. […] hrsg. und bearb. von Josef Müller u. a. Bonn, Berlin 1928—1971. [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/RhWB].

Sievert, Klaus: Wörterbuch deutscher Geheimsprachen. Berlin u.a. 2023.

Stern, Heidi: Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten. Tübingen 2000.

WWb = Westfälisches Wörterbuch. hrsg. von der Kommission für Mundart- und Namenforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Kiel/Hamburg 1969–2021. [URL: https://www.woerterbuchnetz.de/WWB].